Liebe Leserin, lieber Leser,
Ein paar Worte im Voraus: Ich habe die Generalversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Porphyrie am 27.01.2018 besuchen dürfen, worüber ich mich sehr gefreut habe. Ich war nicht in meiner Funktion als Mitarbeiterin des Berliner Leberrings e.V. da, sondern privat, als Betroffene. Ich habe selber noch keine langjährige Erfahrung mit der Krankheit und bin daher an neuen Informationen und Erkenntnissen sehr interessiert. Für mich war auch bei diesem Anlass wieder einiges Wissenswertes dabei, was ich gerne mit Ihnen teilen möchte. Ich bitte Sie nur, zur Kenntnis zu nehmen, dass es sich hier nicht um offiziell an den Berliner Leberring weitergegebene Aussagen handelt, sondern um persönlich gesammelte Informationen und Eindrücke.
RNAi zur Behandlung akuter hepatischer Porphyrien
Nach einem gemeinsamen Mittagessen der Mitglieder und der Behandlung vereinsinterner Themen folgte ein Gastvortrag von Sandra Ehrle, Medical Lead Germany bei Alnylam Pharmaceuticals, Inc. In ihrem Vortrag behandelte sie das aktuelle Thema der RNA-Interferenz (RNAi) als Vorsorgemaßnahme gegen Schübe bei akuten hepatischen Porphyrien. Sie erklärte, dass mit kleinen RNA-Teilstücken bestimmte Gene gezielt ausgeschaltet werden können. Sie betonte, dass es sich hierbei nicht um eine Gentherapie handele. Bei der RNA-Interferenz des neuen Medikaments Girovisan sorge ein bestimmter Einschleusemechanismus dafür, dass die RNA gezielt in die Leber transportiert werden kann, wo sie anschließend nur eine konkrete Funktion erfüllt. Alle anderen Prozesse des Körpers, so Ehrle, werden nicht beeinflusst.
In Deutschland und der Schweiz steht nun die Phase III der klinischen Tests an. Diese wird sich so gestalten, dass alle Probanden über sechs Monate entweder das Medikament Girovisan oder ein Placebo bekommen. In der anschließend folgenden offenen Verlängerung über 30 Monate können alle teilnehmenden Patienten Girovisan bekommen. Während der ganzen Zeit füllen die Probanden Fragebögen aus, deren Daten zusammengefasst und anonymisiert an Alnylam zurückgehen. Aktuellen ersten Ergebnissen zufolge wird für die behandelten Patienten ein Rückgang von Heftigkeit und Häufigkeit der Attacken, ein geringerer Häminbedarf und insgesamt eine gesteigerte Lebensqualität erwartet.
Scenesse in der EU und der Schweiz
Antonella Corlucci, von The CLINUVEL Group, berichtete über das Medikament Scenesse, ein mittels Implantat verabreichtes Medikament gegen die schmerzhafte Lichtempfindlichkeit bei Betroffenen erythropoetischer Protoporphyrie. Nach aktuellem Stand ist das Medikament nach langer Arbeit und der Bewältigung mehrerer Hundert Forderungen und Auflagen von der European Medicines Agency (EMA) für die EU zugelassen, nicht jedoch für Nicht-EU-Länder wie die Schweiz. Dennoch ist das Medikament auch in Deutschland und anderen EU-Ländern noch nicht für alle EPP-Patienten erhältlich. Zum einen sind noch landesspezifische Vorschriften umzusetzen, zum anderen muss jedem Klinikum die Verabreichung des Medikaments einzeln bewilligt werden. Außerdem schränken die EMA-Auflagen an Clinuvel den Vertrieb von Scenesse ein.
Ein weiteres Vortragsthema war die Behandlung von Kindern und Jugendlichen, da diese im Gegensatz zu Betroffenen akuter Porphyrien schon sehr früh Symptome zeigen können. Zur Zeit ist angedacht, dass im Jahr 2020 mit klinischen Versuchen beim Menschen begonnen werden kann.
Fragen an Frau Dr. Elisabeth Minder
Einen weiteren Programmpunkt bildete die Fragerunde mit Frau Dr. Elisabeth Minder, bei der die Fragen einzelner Betroffener beantwortet und Unklarheiten beseitigt wurden. Vorab nutzte Frau Minder die Gelegenheit für eine Information und Bitte an alle Erkrankten von hepatischer Porphyrie. Es besteht die Vermutung, dass bei hepatischen Prophyrien das Risiko, an Leberkrebs zu erkranken, erhöht ist. Sie empfiehlt allen Genträgern von hepatischer Porphyrie, unabhängig davon, ob diese einen Schub erlitten haben oder nicht, ab einem Alter von 50 Jahren ein jährliches Ultraschallscreening der Leber. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Krebs frühzeitig entdeckt werden kann.
Bericht vom International Porphyria Patient Day
Am 25.06.2017 fand in Bordeaux, Frankreich, der International Porphyria Patient Day statt. Die Betroffenen hatten die Möglichkeit, mit Experten auf Augenhöhe am „runden Tisch“ zu sitzen und individuelle Fragen zu stellen. Ebenfalls fand ein Treffen diverser Patientenorganisationen aus verschiedenen Nationen statt, mit dem Ziel, sich untereinander auszutauschen und gegenseitige Zusammenarbeit anzubahnen oder zu verbessern.
Informativ und Unterhaltsam: Science Slam
Auf unterhaltsame und sehr einleuchtende Art vermittelte Jasmin Barman nach einem Einblick in die Wissenschaft der Porphyrien ein neues wissenschaftliches Projekt. Heutigen Erkenntnissen zufolge wird geschätzt, dass Porphyrie eine deutlich unterdiagnostizierte Erkrankung ist. Frau Barman forscht derzeit an einer Möglichkeit, bislang nicht erkannte Porphyrien aufzudecken.
Mein Fazit
Ich habe die SGP an diesem Tag als eine sehr offene, herzliche und vor allem aktive Gemeinschaft kennen lernen dürfen. Besonders die internationalen Verbindungen haben mich sehr beeindruckt. Die vielen neuen Informationen fand ich sehr interessant und hilfreich. Vielleicht konnte ich Ihnen ja auch die eine oder andere Neuigkeit vermitteln.
Alles Gute und vor allem viel Gesundheit,
Ihre Eva
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