Berliner Leberring e.V. – Selfehelp and Information for Porphyria

Porphyrie – eine Patientengeschichte

Eine Porphyrie kann sich auf unterschiedliche Weisen äußern und sogar lebensbedrohlich werden. Das musste zum Beispiel Sandra Müller (Name geändert) aus Brandenburg erleben. Ende 2014 litt die 42-Jährige immer wieder unter Bauchschmerzen. „Ich habe zunächst versucht, die Schmerzen selbst mit rezeptfreien Mitteln wie Magentropfen zu behandeln“, berichtet Sandra Müller.  Sie gab sich Mühe, irgendwie mit den Beschwerden klarzukommen und ging auch weiter zur Arbeit. Doch die Schmerzen wurden immer schlimmer.

Am ersten Weihnachtstag in die Rettungsstelle

Kurz vor Weihnachten wandte sich Sandra Müller an ihre Hausärztin. Es wurde Blut abgenommen, und sie gab eine Urinprobe ab. Die Probe verfärbte sich schon in der Praxis rot (ein typisches Anzeichen für eine Porphyrie), doch dies wurde nicht weiter beachtet. Die Proben sollten erst nach den Weihnachtstagen analysiert werden.

Doch dann entwickelte sich die Krankheit schnell weiter. Sandra Müller hatte extreme Bauchschmerzen. Am ersten Weihnachtsfeiertag wurde sie in die Rettungsstelle eines Krankenhauses eingeliefert. Die Ärzte nahmen zahlreiche Untersuchungen vor, z.B. Ultraschalluntersuchungen und eine Magenspiegelung, doch zunächst wurde nichts Auffälliges gefunden, und sie wurde wieder nach Hause entlassen.

Psychosomatische Schmerzen?

Zwei Tage später wurden die Schmerzen noch schlimmer, und Sandra Müller ging wieder ins Krankenhaus. Da die Untersuchungen nichts ergeben hatten, vermuteten die Ärzte einen psychosomatischen Hintergrund für die Beschwerden und empfahlen die Einweisung in eine entsprechende Klinik. Doch innerhalb einer Woche ging es der 42-Jährigen dramatisch schlechter. Sie hatte neurologische Ausfallerscheinungen, litt unter Schwäche, stolperte beim Gehen und konnte schließlich das Bett gar nicht mehr verlassen. Außerdem hatte sie inzwischen Schmerzen am ganzen Körper. Die Rotfärbung ihres Urins wurde zwar bemerkt, konnte aber nicht zugeordnet werden.

Endlich ein Verdacht: Porphyrie

Verschiedene Schmerzmittel brachten keine Linderung, im Gegenteil: Die Schmerzen nahmen noch zu. Ein Rheumatologe der Klinik machte sich nun intensiv auf die Suche nach der Ursache  des Leidens. „Eines Tages kam er zu mir und sagte: ,Ich habe während des Studiums von einer Krankheit gehört, auf die alle Ihre Symptome passen’“, erinnert sich Sandra Müller. „Da habe ich das Wort Porphyrie das erste Mal gehört.“ „Ich bin diesem Arzt bis heute sehr dankbar“, betont sie. „Ohne seinen Einsatz wäre ich vielleicht gestorben.“

Es stellte sich im Nachhinein heraus, dass auch ihre Hausärztin schon einen Verdacht auf Porphyrie hatte. Die Blutuntersuchungen, die sie kurz vor Weihnachten veranlasst hatte, bestätigten die Diagnose ebenfalls.

Krankheit gestoppt – vom Hals an gelähmt

Als sie endlich eine Diagnose hatte, litt Sandra Müller bereits an Lähmungen. Sie wurde nach Berlin in die Charité gebracht und dort mit Glucose-Infusionen behandelt. Doch diese Maßnahme schlug nicht an. Sandra Müller wurde auf die Intensivstation verlegt, ihr Zustand verschlechterte sich weiter, sie litt zusätzlich unter Verwirrtheit, und wurde schließlich ins künstliche Koma versetzt. Durch eine Behandlung mit Hämarginat konnte der Krankheitsprozess endlich gestoppt werden.

„Doch ich war zu dem Zeitpunkt vom Hals abwärts gelähmt“, sagt Sandra Müller. „Ich musste wieder neu Atmen, Schlucken, Sprechen, Essen, Trinken und alle Alltagstätigkeiten lernen. Sie verbrachte insgesamt zehn Monate in Krankenhäusern und Rehakliniken bis sie so weit wiederhergestellt war, dass sie nach Hause entlassen werden konnte. Zu dieser Zeit war sie aber noch auf Rollstuhl und Rollator angewiesen. Bis heute geht sie regelmäßig zur Physiotherapie und Ergotherapie.

Viele Medikamente können Porphyrie-Anfall auslösen

Außerdem muss sie im täglichen Leben einige Dinge beachten: Porphyrie-Patienten sollten keinen Alkohol trinken und keine anderen Drogen nehmen, da der Konsum einen Anfall auslösen kann. Wichtig ist auch eine regelmäßige kohlehydratreiche Ernährung. Auf Diäten oder Fastenkuren kann ebenfalls ein akuter Porphyrie-Anfall folgen. Viele Medikamente, auch frei verkäufliche und pflanzliche Mittel, enthalten Stoffe, die einen Anfall auslösen können, deshalb gibt es eine Liste, auf der Arzneimittel verzeichnet sind, die für Porphyrie-Patienten unbedenklich sind.

Obwohl sie noch unter den Folgen des Porphyrie-Anfalls leidet – vor allem Schwächen und Bewegungsstörungen in Füßen und Händen –, geht Sandra Müller wieder arbeiten. Die gelernte Kosmetikerin und Podologin hat eine eigene Praxis. „Die Arbeit hilft mir auch dabei, mit meiner Situation klarzukommen“, sagt sie. „Ich habe Wege gefunden, dass ich trotz der Beschwerden in den Händen meine Arbeit machen kann. Ich brauche für manches nur eben etwas länger.“ Unterstützung hat sie dabei von ihren Kunden, die froh sind, dass sie wieder arbeiten kann, und eine längere Behandlungszeit gern in Kauf nehmen.

Im Februar 2017 erlitt Sandra Müller erneut einen Porphyrie-Anfall, doch diesmal konnte sie rechtzeitig im Krankenhaus mit Glucose-Infusionen behandelt und der Anfall früh gestoppt werden.

Schwester: genetische Veranlagung – aber keine Beschwerden

Die Anlage für eine Porphyrie-Erkrankung wird vererbt, deshalb ließen sich die Angehörigen von Sandra Müller nach ihrem dramatischen ersten Anfall untersuchen, und bei ihrer Schwester wurde ebenfalls die für Porphyrie-Erkrankungen verantwortliche Genveränderung gefunden. Sie hatte bisher noch keinen akuten Anfall, und die Chancen sind gut, dass sie auch weiterhin davon verschont bleibt. Die meisten Menschen mit einer solchen Genveränderung leiden nie unter Beschwerden.

Zur Sicherheit tragen Sandra Müller und ihre Schwester aber immer ihre Porphyrie-Ausweise und die Medikamentenliste bei sich. „Man denkt bei allen Bauchschmerzen natürlich immer gleich darüber nach, ob das die Anzeichen für einen Porphyrie-Anfall sind, aber im allgemeinen haben die Beschwerden andere Gründe“, sagt Sandra Müller. Sie ist weiterhin an der Berliner Charité in Behandlung. Alle drei Monate geht sie zur Kontrolle in die Sprechstunde von Prof. Rajan Somasundaram am Campus Benjamin Franklin in Steglitz.

“Nicht in Panik verfallen und nicht aufgeben!”

 „Ich hatte in den vergangenen zweieinhalb Jahren viel Unterstützung von der Familie, von Freunden, Kollegen, Ärzten und Therapeuten. Ohne sie wäre ich nicht da, wo ich heute bin“, betont Sandra Müller. „Der eigene Ehrgeiz spielt natürlich auch eine Rolle. Wichtig ist, dass man nicht in Panik verfällt und nicht aufgibt!“