Berliner Leberring e.V. – Selbsthilfe und Informationen zur Porphyrie

Wie ein Porphyrieschub entsteht

 

Die Häm-Biosynthese

Für viele Prozesse im menschlichen Körper wird Häm benötigt. Allgemein bekannt ist das Hämoglobin, welches für den Sauerstofftransport verantwortlich ist und dem Blut seine rote Farbe verleiht. Häm ist jedoch nicht nur ein Vorläufer des Hämoglobins, sondern wird unter anderem auch für den Hormonstoffwechsel und für den Abbau bestimmter Medikamente im Körper benötigt. Häm wird nicht durch die Nahrung zugeführt, sondern im menschlichen Körper aufgebaut, sprich: synthetisiert. Ist ein Patient von Porphyrie betroffen, so ist die Hämsynthese eingeschränkt. In Verbindung mit einem Auslöser kann ein Zustand eintreten, der als Porphyrieschub bezeichnet wird.

Das Häm wird zu ca. 15 – 20% in der Leber, zu ca. 80 – 85% im Knochenmark synthetisiert. Daran beteiligt sind insgesamt acht Enzyme. Bei Porphyrien weist mindestens ein Enzym eine verminderte Aktivität auf. In der Regel kann gesagt werden, dass das Enzym mit der (größten) Einschränkung die Art der Porphyrie bestimmt. Je nachdem, um welches Enzym es sich dabei handelt, ist die Hämsynthese in der Leber oder im Knochenmark betroffen. Darauf bezogen wird zwischen hepatischen und erythropoetischen Porphyrien unterschieden; weitere Informationen zu den Formen der Porphyrie finden sich hier. Bei erythropoetischen Porphyrien kommt es nicht zum Prophyrieschub, bei hepatischen – mit Ausnahme der Porphyria cutanea tarda – hingegen schon.

 

Entstehung eines Porphyrieschubs am Beispiel der akut intermittierenden Porphyrie

Die Entstehung von einem Porphyrieschub erfolgt bei allen akuten Porphyrien nach demselben Prinzip. Je nachdem, ob ALAD-Defizienz-Porphyrie, akute intermittierende Porphyrie, Porphyria variegata oder hereditäre Korproporphyrie vorliegt, ist ein anderes Enzym für die Porphyrieattacke verantwortlich. Der Anschaulichkeit halber soll der Porphyrieschub hier nur an einer Porphyrieform erläutert dargestellt werden. Da die häufigste Form der akuten Porphyrien die akut intermittierende ist, wird diese zur Erläuterung herangezogen.

Bildlich gesprochen kann man sich den Stoffwechselweg des Häms wie ein Fließband in einer Fabrik vorstellen. Aus den „Rohstoffen“ entsteht als erstes Zwischenprodukt eine Form der Aminolävulinsäure, ALA abgekürzt. Das Enzym ALAS1 ist dabei der treibende „Motor“, der für die Fertigung und den Abtransport der Aminolävulinsäure sorgt. Es folgen weitere Zwischenprodukte, die von verschiedenen weiteren Enzymen hergestellt werden, bis am Ende des Prozesses Häm entstanden ist. Dieser Prozess findet in der Leber permanent auf einem gewissen, minimalen, Niveau statt.

Normaler Stoffwechselweg des Häms
Normaler Stoffwechselweg des Häms. Mit freundlicher Genehmigung von Alnylam Pharmaceuticals, Inc.

Durch einen Auslöser wie bestimmte Medikamente oder Stress (Näheres dazu in der Kategorie Auslöser finden) kommt es zu einem erhöhten Häm-Bedarf. Im übertragenen Sinn bedeutet das: Der Regler der Produktionsstraße wird auf Maximum gestellt. Bei einer Porphyrie ist in der Fertigungskette jedoch ein Enzym, was aufgrund seiner geringeren Aktivität mit der neuen „Fertigungsgeschwindigkeit“ nicht mithalten kann. Bei akuter intermittierender Porphyrie ist das die Porphobilinogen-Desaminase (PBG-Desaminase). Es kommt zur Anhäufung von PBG in der Leber.

Störung des Häm-Stoffwechselwegs
Störung des Häm-Stoffwechselwegs bei AIP. Mit freundlicher Genehmigung von Alnylam Pharmaceuticals, Inc.

Das PBG tritt schließlich aus der Leber aus und verursacht die charakteristischen Symptome: Der Patient erleidet einen Porphyrieschub. Bei anderen Formen der akuten Porphyrie werden teilweise andere oder weitere Zwischenprodukte der Häm-Biosynthese freigesetzt, die jedoch ebenfalls zu einem Porphyrieschub führen.

 

Behandlung eines Porphyrieschubs

Eine Porphyrieattacke kann im frühen Stadium oft durch Glukose behandelt werden. Glukose setzt sozusagen eigenmächtig den Geschwindigkeitsregler herunter und veschafft dem defekten Enzym einen kleinen Zeitpuffer zum „Abarbeiten“ der Zwischenprodukte. Ist ein Porphyrieschub jedoch weit fortgeschritten, muss direkt Häm verabreicht werden, zum Beispiel als Hämarginat. Hierfür ist es unabdingbar, dass eine Klinik aufgesucht wird. Durch die Gabe von Häm ist das ursprüngliche Ziel erfüllt: Es ist genug Häm im Körper vorhanden, um alle davon abhängigen Prozesse durchführen zu können. Der regulierende Mechanismus des Körpers setzt die Hämproduktion herab, sodass die Zwischenprodukte abgebaut werden und die Symptome abklingen.